Wort zum Sonntag Quasimodogeniti - 19. April 2020
Könnte es sein, dass Gott uns vergessen hat? Wenn er oben im Himmel thront, ist er vielleicht zu weit weg, um uns zu sehen? Sieht er nicht, dass eine Pandemie uns in große Not bringt?
Wir haben gedacht, wir wüssten, wie das Leben geht. Wir haben gedacht, wir kennen die Probleme der Erde und können für die Bewahrung der Schöpfung kämpfen. Jetzt mühen wir uns erst einmal um die Bewahrung unseres zerbrechlichen Lebens auf Erden. Da stehen wir nun und wissen nicht, wie das alles gehen soll. So etwas haben wir noch nie erlebt. Es gibt keine Erfahrungen, aus denen wir hätten lernen könnten.
So ging es Israel auch, als sie in Babylonischer Gefangenschaft waren. Ihre Heimat war zerstört. Ihre Kinder hatten die alte Heimat nie gesehen. Als sie endlich wieder zurückkehren dürfen, müssen sie erst sich erst einmal dem Wiederaufbau widmen. Nichts ist mehr, wie es war. Woher sollen die Jungen wissen, wie es geht, und woher sollen die Alten ihre Kraft nehmen. Die Frage nach dem „Warum?“ lässt die Menschen zweifeln.
Da schickt Gott ihnen einen Boten, Jesaja, den Propheten. Er sagt dazu: (Jesaja 40,26-31)
Hebt eure Augen in die Höhe und seht!
Wer hat dies alles geschaffen?
Er führt sein Heer vollzählig heraus
und ruft sie alle mit Namen.
seine Macht und starke Kraft ist so groß,
dass nicht eins von ihnen fehlt.
Warum sprichst du denn, Jakob, und du Israel, sagst:
"Mein Weg ist dem Herrn verborgen,
und mein Recht geht an meinem Gott vorüber?"
Weißt du nicht? Hast du nicht gehört?
Der HERR, der ewige Gott,
der die Enden der Erde geschaffen hat,
wird nicht müde und matt,
sein Verstand ist unausforschlich.
Er gibt den Müden Kraft
und Stärke genug den Unvermögenden
Jünglinge werden müde und matt,
und Männer straucheln und fallen;
aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft,
dass sei auffahren mit Flügeln wie Ader,
dass sie laufen und nicht matt werden,
dass sie wandeln und nicht müde werden
Jesaja, der Bote Gottes hat gut zugehört. Er weist die Frage der Menschen nach dem `Warum´ nicht zurück. Er greift sie auf: „Warum denkst du: Mein Weg ist dem Herrn verborgen, und mein Recht geht am Herrn vorüber?“
Wir dürfen unsere Fragen stellen, dürfen fragen und hinterfragen, sogar zweifeln. Fragen dürfen, ist tröstlich. Es ist ehrlich und gehört zum Leben dazu. Wir brauchen uns mit unseren Fragen nicht verstecken. Wir müssen auch nicht alle Antworten parat haben. Wir dürfen sie stellen und dürfen sie vor allem auch Gott stellen.
Jesaja, der Bote Gottes, antwortet auch. Aber nicht mit einer Erklärung. Vielmehr verweist er auf andere Lebenserfahrungen: „Weißt du nicht? Hast du nicht gehört?“
Ja, was weiß ich denn? Was habe ich eigentlich schon erlebt mit diesem Gott? Oder kenne ich ihn nur vom Hörensagen und es wird Zeit das, was ich gehört habe, zu überprüfen, es mit meinem Leben zu verbinden?
Jesaja lädt ein, sich an Gottes Handeln in unserem Leben zu erinnern. Für Israel beginnt diese Erinnerung direkt mit dem Blick nach oben in die Sterne. Hatte Gott nicht Abraham ein Versprechen gegeben, dass seine Nachkommen zahlreich wie die Sterne sein sollen? Jeden kennt er mit Namen. Also auch uns. Gott hat sein Versprechen nicht vergessen. Das ist seine Botschaft.
„Weißt du wie viel Sternlein stehen“, dichtet Wilhelm Hey in seinem bekannten Lied dazu. „Kennt auch dich und hat dich lieb.“, lautet seine Schlussfolgerung in der letzten Strophe.
Jesaja sagt dem verzweifelten und erschöpften Volk zu: Der ferne Gott ist nahe. Der allmächtige Gott lässt uns nicht allein. Er liebt uns noch immer und kümmert sich um uns. Er vergisst uns nicht. Unser Weg geht nicht an ihm vorbei! Im Gegenteil: Er liebt seine Menschen und möchte sie bewahren. Das beantwortet nicht die Frage, warum wir so etwas trotzdem durchmachen müssen. Es rückt sie aber in eine andere Perspektive:
Deshalb stehen wir dieser Situation nicht mit leeren Händen gegenüber. Eine Hand, liegt fest in der Hand unseres himmlischen Vaters, der uns nicht loslässt. Die andere kann helfen und handeln.
Und ja, dafür brauchen wir Kraft, Mut, Zuversicht, Ideen, Geduld, inneren Frieden. Jesaja sagt deutlich, dass wir Gottes Gedanken nicht verstehen können. Wir bekommen wir nicht unbedingt die Antworten, die wir uns wünschen. Aber dafür bekommen wir jede Menge Kraft zum Durchhalten, zum Wiederaufbauen, zum Neuanfangen und vielleicht können dabei sogar falsche, eingefahrene Wege geändert werden.
In diesen Tagen dürfen wir Kraft schöpfen und uns diese Kraft schenken lassen. Egal, ob wir jung sind oder alt. Die Kraft bekommen wir von dem allmächtigen Gott des Himmels und der Erde. Gott schaut hin. Er vergisst uns nicht und ist uns nahe, selbst wenn alle anderen Abstand halten. Gott, der über die ganzen Milliarden von Sternen des Universums wacht, kennt auch dich und hat dich lieb.
Gott segne Sie und behüte Sie. Amen.
Ihre Pfarrerin
Ute Brodd-Laengner
Gebet:
Himmlischer Vater,
wir bitten dich für alle, die sich nach dir sehnen
in Krankheit und Schmerzen
in Ungewissheit und Angst,
in Krieg und Verfolgung
in Sorge um das Überleben unsere geschundenen Erde.
und rufen: Herr, erbarme dich
Wir bitten dich für alle die aufschauen
in das Mittagsblau des Tages
in die Schwärze der Nacht
in die Weite des Alls, das unser Verstehen übersteigt,
so wie deine Gegenwart uns oft vorkommt, wie eine große Ferne.
und rufen: Herr, erbarme dich
Wir bitten dich, Sei uns nahe, großer Gott,
mach du einen neuen Anfang, wo wir am Ende sind.
Wecke Freude in uns, wenn wir traurig sind
Wecke Lebensmut in uns, wenn wir verzweifeln wollen.
Schenke uns Kraft, wenn uns die Kräfte schwinden.
Sende uns Boten, die uns an deine Liebe erinnern
und hilf uns zu vertrauen.
Das bitten wir dich in Jesu Namen.
Amen.