Wort zum Sonntag Judika - 29.3.2020

"Judika" heißt der heutige Sonntag, nach der Bitte aus Psalm 43: "Schaffe mir Recht, Gott "

 

Es ist eine berechtigte Bitte, denn es geht zur Zeit alles andere als gerecht zu. Oder wie erleben Sie diese Tage?

 

Der Frühling betört mich, klare Luft, helles Sonnenlicht, das auf dem Wasser des Rheins funkelt. Überall sind Blüten in Gelb, Rosa und Weiß; dazu das aufsprießende Grün an Büschen und Bäumen. Ich genieße den Gang durch den Wald ....und denke: Darf ich das eigentlich? Darf ich das alles so genießen, wenn zur gleichen Zeit an vielen Orten Menschen um ihr Leben kämpfen, wenn Ärzte und Pflegekräfte sich bis an die Grenzen verausgaben, wenn andere um ihre wirtschaftlichen Existenz fürchten, nicht schlafen können, Familien sich auf engem Raum aneinander aufreiben, Obdachlose allein stehen....

 

Die Corona-Situation ist wie ein Brennglas. Wie eine Lupe zeigt sie die Diskrepanzen in aller Deutlichkeit. Sie macht die vorhandene Ungleichheit unter den Menschen noch größer. Sie offenbart die Ungerechtigkeit, mit der es auf der Welt zugeht:

 

Hier große Not - dort (wenigstens im Moment noch) alles im Lack.

 

Hier ringen Menschen mit dem Tod - andere werden bewahrt. Hier blüht das Leben. Dort blüht das Elend, das Sterben, die Atemnot, die sich anfühlt, wie wenn man ertrinkt. Hier gehen Leute spazieren, dort werden Leute in der Fürsorge für andere krank und sterben. 44 Ärzte und Pflegekräfte sind in Italien bereits verstorben.

 

Das alles ist kaum zu begreifen und auszuhalten. Es geht weit über das hinaus, was ich seelisch fassen und irgendwie zusammenbringen kann. "Schaffe hier Recht, Gott" möchte ich mit dem Psalmbeter rufen!

 

Bei der Suche nach Hilfe und nach einer Antwort weist uns der Predigttext für heute (Hebräer 13,12-14) an den leidenden, den mitleidenden Christus und sagt: Jesus hat draußen vor dem Tor gelitten.

 

Jesus hat draußen vor dem Tor gelitten.

 

Der kleine Satz spricht Bände: Draußen hat Jesus gelitten und ist er gestorben; draußen vor der Stadt, ausgeschlossen von der Gemeinschaft, weit weg vom Tempel, dem Ort der feierlichen Gottesdienste, dem Ort, wo auch Recht gesprochen wurde. Wie ein Verbrecher ist er gestorben. Wie einer, der infiziert ist, mit dem keiner etwas zu tun haben will und darf.

 

So geht es Vielen in dieser Krise. Kranke verschwinden auf der Intensivstation unter Apparaten, ohne Kontakt zu Angehörigen. Alte und Gefährdete sind ausgeschlossen aus der Gemeinschaft. Viele fallen aus dem sozialen Netz, das bisher getragen hat, heraus. Wir alle müssen auf Nähe und Kontakt verzichten, Distanz halten. Gewiss, es muss so sein, aber es ist schlimm.

 

Unser Predigttext sagt: Jesus kennt das. Und das ist jetzt unser Trost: Jesus hat das selbst erlitten. Er hat sich nicht geschont und sich nicht ausgenommen. Er hat alles geteilt. Das ist mehr als Empathie. Er hat es auf sich genommen, auch die Verzweiflung und die Todesangst in der er geschrien hat."Mein Gott, warum hast du mich verlassen"

 

Für uns ist wichtig: Jesus hat gelitten und ist bei Gott geblieben. Er hat seine Not im Gebet zu Gott getragen. Er hat seine verzweifelten Fragen nicht einfach so in die Welt hinaus geschrien, sondern hat Gott einbezogen. "Jesus hat sein Gebet und sein Flehen vor Gott gebracht. Mit lautem Rufen und unter Tränen brachte er sie vor Gott" (Hebräer 5,7).

 

Und das können wir jetzt auch tun. Wir brauchen die Not, von der wir hören, die Angst und die Sorgen, die immer wieder aufkommen nicht wegschieben und ausklammern. Wir können Gott die bedrängenden Fragen stellen, wir können betend fragen.

 

Das können wir zusammen mit Jesus tun und in der Gemeinschaft der Gemeinde. Wir sind dann auch "draußen", nicht konform mit allen, wir sind dann nicht "vernünftig“, aber wir sind in der Liebe verbunden.

 

Wir sind auch aufgerufen, aufzuwachen aus dem selbstverständlichen Wohlbehagen, in dem wir uns damit zufrieden geben, dass es "uns ja noch gut geht". Die, die uns brauchen sind vielleicht nicht weit weg, vielleicht nur eine Tür weiter. Und die Not vieler auf der ganzen Welt ist groß. Tragen wir sie zu Gott!

 

Und der Frühling?

Die Schönheit der Natur ist und bleibt umwerfend. Sie erinnert uns an die Güte Gottes und daran, dass Gott das Leben will! Also ja! Freuen wir uns am Frühling, genießen wir ihn, nehmen wir Licht und Sonne, und alle Farben dankbar in uns auf. Es tut so gut.

 

Die leitende Ärztin einer großen Klinik machte in einem Radiointerview deutlich: Schönheit und Freude geben ihr jeden Tag Kraft für ihre Arbeit. Nur so kann sie helfen und Zuversicht weitergeben.

 

Gott segne Sie und behüte Sie.

Amen.

 

Ihre
Ute Brodd-Laengner

 

Wie an jeden Tag laden wir sie ein, dass wir uns um 18 Uhr, wenn die Glocken läuten, im Gebet versammeln. Dazu werden in unseren Kirchen die Osterkerzen entzünden. Sprechen Sie mit uns Ihr Gebet oder das folgende Gebet und das Vater unser.

 

Fürbittengebet

 

 

Gott,

der um sich greifende Tod erschreckt mich,

die unsichtbare Gefahr macht mir Angst.

Wie kann es, sein dass so viele Menschen leiden?

wie kannst du das zulassen?

Ich bekenne dir, dass ich mich ohnmächtig fühle und ausgeliefert.

Deshalb bin ich froh, dass du dich nicht abwendest,

so wie du dich auch von dem leidenden Jesus nicht abgewandt hast.

 

Bleibe bei mir.

Bleibe bei uns und bei allen, die Leid tragen und helfen.

Lass die Menschlichkeit wachsen in dieser schweren Zeit

Lass uns für einander einstehen im Gebet und mit aller Kreativität und Tatkraft, die du schenkst.

 

Gib uns Kraft und Hoffnung durch dein Wort, damit wir uns gegenseitig ermutigen können,

auch wenn wir uns nicht von Angesicht zu Angesicht begegnen dürfen.

Halte uns Fest.

Umarme uns mit deiner Liebe

Stärke uns mit deinem Geist

Schenke uns Freude

Das erbitten wir von dir.

Amen.

Zurück