Wort zum Karfreitag - 10. 4. 2020

 

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.

Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.“

So beginnt die Klage des Psalm 22, der von jeher der Psalm für den Karfreitag ist. Nach dem Zeugnis der Evangelisten hat Jesus selbst diese Worte am Kreuz gebetet. Ein bitteres Leiden findet in diesen Worten seinen Ausdruck: gottverlassen – so fühlt sich das an.

 

Und natürlich haben wir da jetzt die Bilder aus den Intensivstationen und den Notkrankenhäusern in der ganzen Welt vor Augen. Und die Frage drängt sich auf: Wo ist Gott? Hat er uns, hat er die, die da leiden verlassen?

Der Psalmbeter hofft trotz seiner Klage auf Gott. Am Ende betet er:

 

„Aber du, Herr, sei nicht ferne; meine Stärke, eile, mir zu helfen!

Wäre er wirklich von Gott verlassen wäre es ja auch sinnlos zu beten. Auch Jesus war nicht gottverlassen, sondern „Gott war in Christus“. Mit diesen Worten beginnt der Predigttext, der in diesem Jahr im Karfreitagsgottesdienst zu predigen gewesen wäre (2. Kor. 5, 19-21).

 

„Gott war in Christus“ – das ist für mich der Schlüssel zum Verständnis dieses schwierigen Karfreitaggeschehens. Und ich glaube, es ist auch eine Antwort auf unsere Fragen heute.

 

„Gott war in Christus“ – das macht aus dem Karfreitaggeschehen, aus dem Tod Jesu am Kreuz, viel mehr, als nur einen unmenschlichen Akt willkürlicher Gewalt.

 

„Gott war in Christus“? - dann geschah dort das Undenkbare, dass Gott selbst wirklich mitleidet, ja sogar mit in den Tod geht. Und das ist es, was wir seitdem glauben dürfen:

Niemand leidet gottverlassen! Niemand stirbt gottverlassen! Ja, es gibt überhaupt keine Gottverlassenheit mehr – nicht mal im Tod! Deshalb ist der Karfreitag ein Feiertag.

Ein stiller Feiertag allerdings, weil Mitfühlen und Mitleid, weil das Bedenken von all dem Leidvollen, was Menschen jetzt in aller Welt erleben, ganz sicher keinen lauten Jubel verträgt.

 

An diesem besonders stillen Karfreitag 2020 wird das vielleicht nochmal besonders deutlich. Ja, vielleicht ist es sogar einmal nicht so schlecht, dass wir den Karfreitag nicht in der Kirche begehen, sondern dort, wo wir leben. Die Botschaft dieses Tages und der Trost, den sie bedeutet, soll auf jeden Fall nicht in der Kirche bleiben sondern in unser Leben wirken.

Solchen Trost und damit verbunden die Hoffnung von Ostern, ohne die der Trost des Karfreitags ja eigentlich nicht wirken kann, wünsche ich uns allen.

 

Gott segne und behüte Sie. AMEN.

Ihr Pfarrer Michael Busch

 

Am Karfreitag läutet die Glocke ausnahmsweise schon um 15.00 Uhr zur Sterbestunde Jesu, um an das Karfreitaggeschehen zu erinnern. Auch dazu laden wir Sie ein, dass wir uns im Gebet versammeln. Sprechen Sie mit uns Ihr Gebet oder das folgende Fürbittengebet und ein Vater unser.

 

Gnädiger Gott!

Es sind schwierige Zeiten und deine Schöpfung leidet. Die Ängste und Sorgen sind an diesem Karfreitag weltweit groß. Lass uns aufeinander Acht geben und füreinander einstehen.  

Hilf uns, Gott, ruhig und besonnen zu bleiben.

Wir bitten dich für uns als Gesellschaft, dass wir diese Wochen als Chance zum Nach- und Umdenken nutzen. Wie gehen wir mit unserer Schöpfung und mit unseren Nächsten um?

Lass uns dankbar und demütig auf das schauen, was wir hatten und jetzt so schmerzlich vermissen. Schenke uns Einsicht und deine Gnade.

Wir bitten dich für die Menschen in den Senioreneinrichtungen und Krankenhäusern, dass sie spüren, dass wir ihnen verbunden sind, auch wenn wir sie nicht besuchen können.

Wir bitten dich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Arztpraxen, den Ambulanzen und Krankenhäusern um deine Kraft, Ruhe und Durchhaltevermögen.        

Wir bitten dich für die Expertinnen und Experten im Gesundheitswesen um Weisheit und Kreativität, für unsere Entscheidungsträger in der Politik um Besonnenheit und um die Kraft, von den eigenen Zielen abzusehen und zu sehen, was für alle das Beste ist.

Für unsere Gesellschaft um einen neuen, rücksichtsvollen Blick aufeinander, damit wir miteinander durch diese Zeit kommen.

Treuer Gott!

Wir bringen vor dich unsere Trauer um die Menschen, die von uns gegangen sind. Wir bitten dich um Trost in diesen schweren Tagen, in denen viele Angehörige nicht angemessen von ihren Verstorbenen Abschied nehmen können.

Lass uns spüren, dass das Leid uns auf der ganzen Erde verbindet und um das Miteinander ringen.

Lebendiger Gott!

Du bist der Ursprung unserer Wege. Du bist in deinem Sohn uns gekommen. Er hat die Liebe gelebt und Hoffnung aufgezeigt. Er hat gezeigt, dass wir miteinander mehr erreichen als allein. Wir bitten dich, dass wir als Gemeinde unser Glauben weiterleben und aus ihm Hoffnung und Zuversicht in unsere Gesellschaft ausstrahlen.

Amen.

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